Die Auswirkungen der Unisex-Tarife auf die Versicherungskunden

Auch wenn durch die neue Unisex-Verordnung jeder Diskriminierung der Nährboden entzogen werden sollte, dann sind letztendlich doch die Versicherungskunden die diskriminierten Betrogenen. Denn einerseits gilt der Vorteil, dass Versicherer ihre Beiträge künftig nicht mehr nach dem Geschlecht kalkulieren dürfen. Andererseits führt dies zum Nachteil für die Versicherungskunden, dass gerade männliche Versicherte in der Sparte Altersvorsorge und weibliche Versicherte in der Sparte Krankenversicherung massiv benachteiligt – wenn nicht sogar um ihre Rückstellungen „betrogen“ werden.

Der Grund: Die Nachteile werden nicht, wie vielfach behauptet, zwischen den Geschlechtern ausgeglichen. Zwar sind die Gesellschaften verpflichtet, Männern und Frauen künftig dieselben Tarife anzubieten, was bedeutet, dass bei der Beitragskalkulation künftig keine geschlechtsspezifischen Risikofaktoren berücksichtigt werden (dürfen). Doch je nach Versicherungssparte werden diese Neuverträge dann auch entweder für Frauen oder für Männer teurer bzw. nur teilweise günstiger. Gerade was die Kfz-Versicherung anbelangt, profitierten bislang die Frauen von den alten Bisex-Varianten. Der Grund lag einfach daran, weil Frauen von ihrem deutlich geringeren Unfallrisiko profitierten. Doch damit ist jetzt Schluss. In Zukunft müssen auch Frauen in der Kfz-Versicherung mit einer deutlichen Verteuerung rechnen.

Auch wenn dafür im Umkehrschluss die Männer ihren Beitragssatz für ihre Kfz-Police behalten dürfen oder vielleicht einen etwas geringeren Beitrag zahlen müssen, kann nicht zwangsläufig von einer gleichen Umverteilung gesprochen werden. Man denke nur an einen Vater, dessen Ehefrau und seine beiden Töchter in der Kfz-Versicherung des Vaters gemeinsam mitversichert sind. Und man denke an einen allein erziehenden Vater mit zwei Söhnen. Ersterer wird kräftig zur Kasse gebeten, der Vater mit den Söhnen hingegen wird nur mäßig entlastet werden. Aufklärung von den Versicherungsunternehmen können hingegen die wenigsten erwarten. Denn schon heute wird zwanghaft versucht, „Kunden mit angeblich noch günstigen Beiträgen zu ködern, bevor es angeblich zu spät ist.“

Der Werbeslogan „Ihr Vertrauen, unsere Verpflichtung“ müsste dabei nur umgekehrt werden: Wer seiner Versicherung vertraut, steht in der Verpflichtung: nämlich Beiträge zu zahlen. Vor einer drohenden Preisexplosion will hingegen niemand etwas wissen. Nicht selten werden Kunden als unwissend dargestellt, und das nur deshalb, weil sie nicht schnell genug agieren und dadurch angeblich auch noch Geld verschenken. Kein Versicherungsnehmer ist heutzutage gezwungen, Versicherungsverträge zeitnah abzuschließen. Vielmehr macht es Sinn, die hoch klingenden Werbebotschaften der Versicherer einfach zu ignorieren, um die Zeitwende erst einmal abzuwarten.

Um männliche und weibliche Versicherungsnehmer künftig zu einheitlichen Konditionen versichern zu können, müssen die Gesellschaften den grossteil ihrer Tarife auf eine neue Kalkulationsgrundlage stellen. Dies hat zur Folge, dass das bisherige Preisgefüge gewaltig ins Rutschen kommt. Profitieren von dem Regelwerk werden letztlich aber die Versicherer, die Versicherten haben hingegen nur wenige Möglichkeiten, das neue Recht für sich optimal zu nutzen. Eines kann bereits schon heute festgehalten werden: Ein vorschneller Policen-Abschluss lohnt sich nur in den wenigsten Fällen. Betrogen fühlen sich insbesondere männliche Versicherungsnehmer, da es sich für diese Zielgruppe erst gar nicht mehr lohnt, nach 2012 eine private Rentenvorsorge zu betreiben. Beispiel:

Das oben genannte Beispiel zeigt deutlich: Die Gesellschaften müssen auch weiterhin zur Absicherung ihrer unterschiedlichen Risiken auch unterschiedliche Prämienhöhen vom Versicherten verlangen. Denn gerade die weiblichen Versicherungsnehmer leben in der Renten- und Krankenversicherung einfach 5,2 Jahre länger als männliche Versicherungsnehmer.

Ein noch besseres Beispiel ist die seit Jahren in Kritik geratene klassische Riester-Rente, die es grundsätzlich nur als Unisex-Produkt gibt. Obwohl es heute noch gar keine statistisch ausreichenden verwertbare Ablaufleistungen über diese Verträge gibt, steht das Produkt schon vor dem drohenden Aus. Für Versicherungsnehmer, die letztlich doch noch in den Genuss einer Riesterrente kommen, wird daher die Verwunderung über den Auszahlungsbetrag sehr hoch sein. Doch es sind mit dieser Umstellung leider auch andere wichtige Versicherungssparten betroffen, wie das vorgehende Beispiel zeigt. Die Versicherer gehen dabei von der Gesundheit und der Lebenserwartung aus, maßgebend wäre hier jedoch die körperliche Belastung, die männliche Versicherungsnehmer eher in die vorzeitige Berufsunfähigkeit treibt. Man denke dabei nur an das Bauhandwerk, das lediglich eine Frauenquote von derzeit knapp 2 Prozent aufweist. Andererseits fordert die heutige moderne Dienstleistungsgesellschaft auch für Frauen ihren Tribut: hier scheidet der Großteil an Frauen wegen einer kaputten Psyche aus dem Berufsleben aus.

Von daher kann eine kalkulatorische Angleichung zwischen männlichen und weiblichen Versicherungsnehmern in keinem Falle zu einer gleichen Prämiensumme innerhalb der einzelnen Versicherungssparten führen, ohne dass die Assekuranz deutliche Verluste erzielen würde. Die Versicherungsgesellschaften sind somit gezwungen, entweder ihre Beiträge zu erhöhen oder entsprechend Leistungen zu kürzen. Zudem darf durch das Urteil des EuGH die bislang verwendete Sterbetafel nicht mehr zum Tragen kommen, was letztlich dazu führt, dass sich die Versicherer durch eine Beitragserhöhung einen neuen Risikopuffer schaffen müssen. Denn künftig zählt in der Sparte Lebens- und Rentenversicherung nur noch der Rechnungszins. Und ein solcher muss im Schnitt bis zu 50 Jahre sichergestellt sein, um letztlich auch eine Erfüllbarkeit der ausgegebenen Verträge gegenüber dem versicherten zu garantieren.

Noch problematischer muss nur noch die künftige Gestaltung der privaten Krankenversicherungsbeiträge gesehen werden. Junge Versicherte müssen in diesem Fall die Gesundheitskosten der Älteren durch Beitragserhöhungen wieder ausgleichen. Statistisch verursacht jeder weibliche Versicherungsnehmer ab einem Alter von 85 Jahren jährlich rund 15.330 Euro an Krankheitskosten. Männliche Versicherte liegen zwar mit 11.490 Euro jährlich nur geringfügig darunter, maßgebend ist jedoch der weibliche Bevölkerungsanteil.  Und dieser liegt mit rund 75 Prozent deutlich höher als bei den männlichen Kollegen. Um die hohe Lebenserwartung der weiblichen Versicherten wieder auszugleichen – und eben dies darf künftig nicht mehr über Prämienunterschiede geschehen – wird künftig für einen Großteil der privat Versicherten die Beitragszahlung in die PKV im Alter nicht mehr bezahlbar bleiben.

Zu viele Fragen sind daher noch offen, um letztlich vorschnell zu handeln. Ferner ließen die Richter in ihrem Urteil offen, ob auch bestehende Altverträge von der Neuregelung betroffen sind. Von daher kann Versicherten nur abgeraten werden, noch schnell Verträge vor dem Stichtag abzuschließen, die eine solche Ausnahmeklausel erlauben. Denn eine solche ist nach dem Stichtag nicht mehr erlaubt. Auch wurden durch die Versicherer bislang keine einheitlichen Tarifstrukturen geschaffen. Auch sollte unbedingt davon abgesehen werden, vorschnell Altverträge zu kündigen, denn für jeden Neuvertrag fallen im Gegenzug wieder Abschlusskosten an.

Fazit: Die meisten größeren Versicherungsgesellschaften werden die Umstellung auf die neuen Unisex-Tarife ausschließlich zu ihren Gunsten nutzen. Der Preis der Gleichheit hat dabei seinen Preis – und diesen hat letztendlich wie immer der Kunde zu tragen. Dabei wird durch übertriebene Vertragsgestaltungen versucht werden, auch gleichzeitig die desolate Ertragslage vieler Versicherungsgesellschaften zu verbessern.