Vollnarkose – zweckmäßig, notwendig, wirtschaftlich vertretbar?

Die Situation: Ein Weisheitszahn muss entfernt werden, dessen Wurzeln entzündet sind und sich seltsam im Kiefer ausgebreitet haben. Ein Angstpatient lehnt es ab, die Tortur des Ziehens ohne Vollnarkose über sich ergehen zu lassen. Was nun? Private und gesetzliche Kassen haben unterschiedliche Antworten.

Ein Blick in die Krankenkassengeschichte

Für die gesetzlichen Krankenkassen sind viele Fälle leicht zu entscheiden. Sie haben einen klaren Auftrag vom Gesetzgeber. Sie haben eine ausreichende, zweckmäßige und wirtschaftlich vertretbare Behandlung ihrer Pflichtversicherten anzubieten. Diese zahlen dafür 15,5 Prozent ihres Monatsgehalts an die Kasse. Der Arbeitgeber zahlt seinen Pflichtbeitrag hinzu. Was aber kann der Versicherte an Leistung dafür beanspruchen ? Und in wieweit bietet eine private Krankenversicherung mehr als eine gesetzliche ? Dazu braucht es zunächst einen Blick in die Geschichte der gesetzlichen Krankenversicherung. Und die führt uns zurück in die Mitte des neunzehnten Jahrhunderts. Seinerzeit gab es ein drei Klassen – System. Die Reichen konnten sich jederzeit auch ärztliche Betreuung leisten. Die Mittelschicht, deutlich unterrepräsentiert, war zumindest in Notfällen in der Lage, einen Mediziner in Anspruch zu nehmen. Die größte Gruppe bildeten die Arbeiter und deren Familien. Sie leisteten die körperlich schwerste Arbeit, lebten in hygienisch unvorstellbar schlechten Bedingungen, erkrankten am häufigsten und am schwersten. Die Kindersterblichkeit in dieser Bevölkerungsgruppe war mit 25 Prozent deutlich höher als in der Oberschicht. Die Frauen starben an Kindbettfieber, weil auch die hygienischen Bedingungen während einer Geburt unzumutbar waren. Das Trinkwasser war verunreinigt, die enthaltenen Bakterien wurden lebensbedrohlich. Die Reichen lebten in deutlich besserer Umgebung mit weniger körperlicher Arbeit und hatten das Geld für medizinische Versorgung. Auch die Mittelschicht konnte bessere Lebensvoraussetzungen schaffen und erkrankte weniger. Zahnbehandlungen und Operationen verliefen schon damals höchst unterschiedlich. Zwar waren die Narkosemittel insgesamt noch nicht gut auf den menschlichen Organismus abgestimmt, standen aber auch nur denen zur Verfügung, die dafür zahlen konnten. Heute ist das anders.

Angstpatient : Der Begriff ist neu, wird aber ernst genommen

Die Vollnarkose versetzt Patienten in einen Zustand, in dem sie weder Schmerz fühlen noch mental realisieren, was mit ihnen geschieht. Unter Vollnarkose können Operationen vorgenommen werden, die ohne nicht möglich wären, weil der Patient den Schmerz nicht aushalten könnte. Die Vollnarkose hat der Medizin also völlig neue Wege geöffnet. Eine ebenso neu überdachte Hygiene hat die Zahl der Toten der durch Baktieren verursachten Infektionen immer weiter verringert. Die Betreuung der Patienten während einer Narkose erfordert viel Spezialkenntnis und eine besonders gute Überwachung durch Fachpersonal, ist also zeit – und damit kostenintensiv. Deshalb stellt sich in der modernen Medizin, die ein gesundes Aufwachen des Patienten nach der Vollkarnose gewährleisten kann, oft die Frage, ob eine Vollnarkose gegenüber einer Teilanästhesie nicht vielleicht der bessere Weg ist. Es gibt Patienten, denen ein bestimmter Stoff im Blut fehlt oder der wenig vorhanden ist. Sie bedürfen nach einer Vollnarkose besonderer und damit auch kostenintensiver Betreuung. Gesetzliche Krankenkassen und « Private » sehen hier für die Versicherten unterschiedliche Leistungen vor. Diese lassen sich entweder in Eigeninitiative recherchieren, indem Sie die Satzungen vergleichen. Wenn Ihnen das zu mühsam ist, lassen Sie sich einfach einen persönlichen Beratungstermin geben. Nützlich ist es, sich vorher einen Fragenkatalog zusammenzustellen, der als Grundlage für das Gespräch gilt. Früher galt als oberstes Gebot der gesetzlichen Krankenkassen, dass eine Vollnarkose nur dann genehmigt wird, wenn der Schmerz eine notwendige Behandlung ohne Vollnarkose unmöglich gemacht hätte. Auch da hat inzwischen ein Umdenken stattgefunden. Patienten mit extremer Schmerzpanik können sogar eine Vollnarkose bei schweren Zahnerkrankungen erhalten. Bevor Sie als so genannter Angstpatient aber eine solche Therapie mit Ihrem Zahnarzt vereinbaren, informieren Sie sich lieber persönlich bei Ihrer Krankenkasse.

Entstehende Kosten bei der Zahnbehandlung können gesenkt werden.

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Auch die privaten Krankenversicherungen haben klare Regelungen, die aber unterschiedlich sein können

Private Krankenversicherungen zeichnen sich dadurch aus, dass sie ihr Versorgungskonzept sehr variabel gestalten. Es passt sich sozusagen Ihren persönlichen Gesundheitsbedingungen an, hat dafür aber auch seinen Preis. Mit Ihrer privaten Krankenversicherung können Sie vor Vertragsabschluss viele Leistungen individuell gestalten. Sollten Sie also ein Angstpatient sein, der wert darauf legt, Schmerzen in bestimmten Situationen nicht wahrzunehmen, ist die Vollnarkose ein Punkt im Verhandlungspaket mit der potentiellen neuen Krankenkasse. Gehen Sie bitte nicht davon aus, dass diese Therapie- Variante kostenlos im Leistungskatalog enthalten ist.