Den rund 880.000 Vollversicherten der zweitgrößten deutschen privaten Krankenversicherung flatterte in diesen Tagen unschöne Post ins Haus. Die DKV hat nicht nur die Beiträge, wie üblich, angepasst, die Erhöhungen beliefen sich in der Spitze auf 129,90 Euro, bei über 65jährigen auf bis zu 79,90 Euro monatlich. Von dieser fast schon einmaligen Beitragsexplosion waren 59,2 Prozent der Versicherten betroffen, wie der Konzern mitteilte.
Um die Beitragsanpassungen nicht noch stärker ausdehnen zu müssen, griff die DKV darüber hinaus auf 439 Millionen Euro aus den Rückstellungen zurück. Andernfalls wäre die Limitierung bei den Senioren auf unter 80 Euro im Monat nicht zu bewerkstelligen gewesen.
Besonders betroffen war der Flaggschifftarif BM4, einer der Tarife mit den meisten Versicherten. Obwohl dieser als besonders beitragsstabil angepriesen wurde, fiel hier die Beitragsanpassung mit durchschnittlich 29 Prozent über alle Selbstbeteiligungsvarianten am höchsten aus. Die Ursachen liegen für die DKV auf der Hand, so ihre Sprecherin Sybille Schneider gegenüber dem Berliner Tagesspiegel.
- Kostenexplosion im Gesundheitswesen
- Höhere Besuchsfrequenz der Versicherten bei Ärzten
- Längere Lebenserwartung der Versicherten der DKV
- Vervierfachung der Hochkostenfälle
- Gesenkter Rechnungszins und damit notwendige höhere Rückstellungen für das Alter
Neugeschäft rückläufig
Objektiv gesehen hat auch der massive Rückgang des Neugeschäftes, nicht nur bei der DKV, dazu beigetragen, dass die privaten Krankenversicherer ein Beitragsproblem haben. Der SPD-Experte Karl Lauterbach fasste die Problematik der privaten Krankenversicherer ebenfalls damit zusammen, dass das Neugeschäft eingebrochen sei, die niedrigen Zinsen massive Einnahmeverluste bedeuten und die Kosten im Gesundheitswesen dagegen eine ungeheure Dynamik an den Tag legten. Überdimensionierte Beitragserhöhungen werden auch künftig die Folge sein.
Vor diesem Hintergrund taucht natürlich die Frage auf, ob die Vollkrankenversicherung auch weiterhin einen lukrativen Geschäftszweig für die Versicherer darstellt, oder die Beiträge so angepasst werden müssten, dass sich das Geschäftsmodell von alleine erübrigen würde. „Man habe in der Vergangenheit damit verdient und erwarte das auch für die Zukunft“, so die DKV-Sprecherin.
Allerdings muss dazu gesagt werden, dass der Mitgliederschwund in der privaten Vollversicherung vorangeht. Im Jahr 2015 gingen die Zahlen der Vollversicherten das dritte Mal in Folge zurück. Ende 2014 lag der Bestand an Vollverträgen um 55.600 Verträge niedriger als ein Jahr zuvor. Das Neugeschäft brach in 2013 mit 20 Prozent Rückgang gegenüber 2012 regelrecht ein, so eine Studie der Unternehmensberatung Towers Watson.
Die Zielgruppe der privaten Krankenversicherer, junge und gesunde Angestellte, verdient in der Masse zu wenig, um die jährlich steigende Versicherungspflichtgrenze zu überspringen. 2016 beträgt sie 56.250 Euro.
Grundsätzlich gilt jedoch für die private Krankenversicherung, dass junge Versicherungsnehmer mit soliden Beiträgen und niedrigen Kosten die Prämien für alle in einem Tarif Versicherten moderat halten müssen. Andernfalls tritt der Fall ein, dass ein Tarif für Neuaufnahmen geschlossen wird, da er „überaltert“. Hohe Kosten im Alter führen zu massiven Beitragsanpassungen für diesen Tarif, er wäre nicht mehr wettbewerbsfähig. Mit einem neuen Tarif werden dann wieder neue Kunden geworben.
Vorgehen wenig kundenfreundlich
Der Versand bezüglich der Informationen über die Beitragserhöhung erfolgte wenig kundenfreundlich. Der Gesetzgeber verlangt, dass die Versicherungsnehmer mindestens vier Wochen vor der ersten Beitragsanpassung darüber informiert werden. Genau diese Frist hat der Kölner Versicherer eingehalten. Die Folge sind Bearbeitungsstaus bei den Kundenrückfragen und daraus resultierend zeitlich kaum Handlungsspielraum für die Versicherten. Dieses Vorgehen ist in der Praxis bei allen Versicherern allerdings nicht unüblich.
PKV wird zum „Krankheitsfall“
Noch deutlichere Worte als Karl Lauterbach fand der Branchenexperte Christhart Kratzenstein vom Onlineportal Expertennetzwerk24. Gegenüber dem Tagesspiegel sagte er wörtlich: „Wo’s bisher nicht geknallt hat, knallt es noch. … Der Werbespruch, dass man in der PKV Geld spart, stimmt nicht mehr.“ (Der Tagesspiegel, 2.3.2016) Die DKV sei kein Einzelfall, es handle sich hier um ein branchenspezifisches Problem.
Die meisten Versicherer hatten bereits zum Jahreswechsel die Anpassungsrunde durchgeführt. Dabei lag die durchschnittliche Beitragsanpassung bei 4,1 Prozent, wie eine Umfrage des MAP-Reportes bei 17 der in Deutschland aktiven 32 Vollversicherer ergab. Am bittersten traf es demzufolge die Versicherungsnehmer der R + V Krankenversicherung, die im Mittel mit 16,4 % Mehrbeitrag belastet wurden.
Fakt ist, dass die private Vollkrankenversicherung eigentlich nur noch für Beamte attraktiv ist. Hier übernimmt der Steuerzahler im Rahmen der Beihilfe anteilig die Beiträge der Mitglieder.
Welche Lösungen bieten sich bei Beitragserhöhungen an?
Der Weg in die Ersatzkasse ist privat Versicherten in den meisten Fällen versperrt. Den Vertrag zu kündigen und zu einem anderen Versicherer zu wechseln, bedeutet, dass die Altersrückstellungen zu einem großen Teil verloren sind. Gegebenenfalls fällt durch eine zwischenzeitlich eingetretene Vorerkrankung ein Risikozuschlag an.
Das Versicherungsvertragsgesetz (VVG) bietet allerdings eine Lösung, welche die Versicherer so gut es geht boykottieren wollen. Der § 204 VVG sieht vor, dass ein Versicherer seinem Versicherungsnehmer die Möglichkeit einräumen muss, ohne erneute Gesundheitsprüfung und unter Mitnahme der gebildeten Altersrückstellungen in einen günstigeren Tarif mit gleichen Leistungen wechseln zu können. Dass die Krankenversicherer alle Register ziehen, um dies zu verhindern, versteht sich fast schon von selbst.
Der Tarifwechsel stellt die beste Möglichkeit dar, die Kosten für die private Krankenversicherung zu senken. Alle Details dazu finden sich in diesem Abschnitt.