Was hat der EZB Strafzins mit dem Beitrag zur privaten Krankenversicherung zu tun?

Während die Mitglieder der gesetzlichen Krankenversicherung darüber klagen, dass sie es seit Jahren mit permanenten Leistungskürzungen zu tun haben, erhalten privat Krankenversicherte in der Regel einmal im Jahr eine Mitteilung, dass aufgrund der gestiegenen Kosten im Gesundheitswesen die Beiträge angepasst werden müssen.

Dieser Sachverhalt führt dazu, dass bei einer Umfrage im Jahr 2011 immerhin 39 Prozent der befragten PKV-Mitglieder äußerten, dass sie die Beitragsanpassungen am meisten bei ihrer Krankenversicherung ärgern.

Balkendiagramm zu den Gründen für die Unzufriedenheit mit den privaten Krankenkassen

Die Preisanstiege der privaten Krankenversicherungen waren mal mehr, mal weniger heftig. Teurer wurden sie aber immer

Während die GKV-Versicherten eine Weile von Beitragsanpassungen verschont blieben, kam im Januar allerdings eine fast flächendeckende Erhöhung der Sonderumlage auf sie zu. Diese variierte jedoch von Ersatzkasse zu Ersatzkasse.

Bislang resultierten Beitragsanpassungen aus den steigenden Kosten im Gesundheitswesen. Im Jahr 2016 dürfte allerdings ein zusätzlicher, externer Faktor dazu kommen. Die Rede ist von Mario Draghis Politik der niedrigen Zinsen. Die Frage, was das mit einer privaten Krankenversicherung zu tun hat, liegt natürlich auf der Hand.

Dass Lebensversicherungen die Kundengelder anlegen, versteht sich von selbst. Dass die Versicherungsnehmer aktuell in höchstem Maße verunsichert sind, ist kein Wunder. Die Spatzen pfeifen es von den Dächern, dass die seinerzeit prognostizierten Ablaufleistungen bei klassischen Vorsorgelösungen (z.B. bei Lebensversicherungen) weit entfernt von der Realität liegen. Das Zinsumfeld lässt, vorsichtig formuliert, zu wünschen übrig.

Der PKV-Beitrag und seine Verwendung

Nun müssen die privaten Krankenversicherer keine Ablaufleistung erwirtschaften, aber dennoch finanzielle Polster bilden. Die Beiträge für die PKV beinhalten

  • den Anteil, der für laufende Kosten verwendet werden muss
  • und einen Anteil für die Bildung von Altersrückstellungen

Die Altersrückstellungen dienen dazu, Beitragsanpassungen im jeweiligen Tarif mit zunehmendem Alter der Versicherten moderat zu halten. Es ist unstrittig, dass die Zahl der Erkrankungen und Arztbesuche im Alter zunimmt. Dies wirkt sich natürlich auch auf die Kostenseite der Versicherer aus. Kontinuierliche Beitragsanpassungen lassen sich nicht vermeiden.

Das ist auch ein Grund, weshalb die privaten Krankenversicherer immer wieder neue Tarife auflegen, um mit niedrigen Beiträgen junge Menschen zu versichern und so wettbewerbsfähig zu bleiben.

Wie sich die durchschnittliche Beitragsanpassung in den letzten Jahren entwickelte, zeigt dieses Diagramm:

Linienchart zur Entwicklung der PKV Beiträge von 2001 bis 2012

Es ist allerdings ein Trugschluss, zu glauben, dass eine sinkende Kurve eine Beitragssenkung bedeutet. Sie besagt lediglich, dass die Beitragserhöhung niedriger ausfiel, als im Jahr zuvor.

Der Vollständigkeit halber hier noch die Beitragsentwicklung in der gesetzlichen Krankenversicherung:

Linienchart zur Entwicklung der Beitragssätze zur GKV 1998 bis 2017

Das alles beantwortet aber noch nicht die Frage, weshalb die EZB Einfluss auf die Prämie in der PKV hat.

Die Schere zwischen Zins und Beitragserhöhung geht überproportional auseinander

Um Altersrückstellungen bilden zu können, müssen die Beitragsanteile der Versicherten angelegt werden. Im Rahmen der Kalkulation dürfen die privaten Krankenversicherungen mit maximal 3,5 Prozent Zinsertrag auf die Rückstellungen rechnen. Davon sind sie inzwischen aber weit entfernt.

Es kommt noch schlimmer. Der Strafzins, den die EZB den Banken auferlegt, geben diese inzwischen zunächst an Anleger mit großvolumigen Einlagen weiter, also auch an die Krankenversicherungen.

Einer Faustformel zufolge bedeutet jeder Prozentpunkt weniger bei der Anlage der Beiträge im Umkehrschluss eine Beitragserhöhung um zehn Prozent!

Wenn nun statt einer Verzinsung von sagen wir zwei Prozent ein Strafzins von 0,5 Prozent fällig wird, kann sich jeder Versicherte ausrechen, was dies für seinen monatlichen Beitrag bedeutet. Dies trifft allerdings nicht in vollem Umfang zu, da die Alterstrückstellungen natürlich nicht in voller Höhe als beispielsweise Tagesgeld angelegt sind.

Der Sprecher des Verbandes der privaten Krankenversicherer, Stefan Reker, wiegelt in einem Interview mit der Tageszeitung „Die Welt“ allerdings ab. Es handle sich dabei, wenn überhaupt, nur um durchlaufende Posten, die mit einer negativen Verzinsung belastet sind. Aufgrund der Langfristigkeit der Anlage der Altersrückstellungen würde der Strafzins wieder kompensiert.

Dass es mit der Entwicklung der Altersrückstellungen in der PKV aber schon länger nicht ganz so rosig aussieht, macht der Beitragszuschlag deutlich. Seit dem Jahr 2000 müssen Neumitglieder ab dem 22. bis zum 61. Lebensjahr einen Beitragszuschlag in Höhe von zehn Prozent entrichten.

Neben den steigenden Kosten in der Medizin kommt nun auf die privat Krankenversicherten möglicherweise noch eine weitere Belastung in Bezug auf den Beitrag zu – der Strafzins.

Das Thema Strafzinsen belastet aber nicht nur die privaten Versicherer. Dem Gesundheitsfonds der Ersatzkassen wurden ebenfalls Strafzinsen in Rechnung gestellt. Wie die FAZ ausführt, wurden dafür Beiträge in Höhe von 1,8 Millionen Euro benötigt, die ihrem eigentlichen Zweck, der Krankenversicherung, daher nicht zur Verfügung standen.

Was tun, wenn der Beitrag explodiert?

Wer privat krankenversichert ist, kann nicht mehr ohne Weiteres in eine Ersatzkasse wechseln. Die Beitragsanpassungen stillschweigend hinzunehmen, ist aber auch keine Lösung. Was nur wenige Versicherte wissen, ist, dass der § 204 des Versicherungsvertragsgesetzes hier einen Ausweg bietet.

Dieser Paragraf besagt, dass ein Versicherer seinem Versicherungsnehmer die Möglichkeit geben muss, in einen günstigeren Tarif zu wechseln, der mindestens die gleichen Leistungen bietet.

Dieses Recht auf Tarifwechsel sieht auch vor, dass die bis dahin gebildeten Altersrückstellungen übertragen werden. Die Versicherer suchen natürlich alle Schlupflöcher, um einen solchen Wechsel zu vermeiden. Es gibt allerdings Makler, welche sich auf Tarifwechsel nach § 204 VVG spezialisiert haben und diesen erfolgreich für ihre Mandanten bei den Versicherern durchsetzen.

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

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