BGH Az. III ZR 225/20

Unzulässige Reservierungsgebühren für Pflegeheime

Der Bundesgerichtshof (BGH) hat am 15.07.2021 entschieden, dass Reservierungsgebühren für die Zeit bis zum tatsächlichen Einzug in ein Pflegeheim auch bei privatversicherten Pflegebedürftigen unzulässig sind. Eine solche Voraussetzung sei mit dem § 87a Abs. 1 Satz 1 SGB XI unvereinbar.

Das Wichtigste auf einen Blick:

  • Verbraucher, die Leistungen einer privaten Pflegepflichtversicherung erhalten, beziehen mittelbar Leistungen auf der Basis des Vierten Kapitels des Zehnten Sozialgesetzbuches (SGB XI).
  • § 87a Abs. 1 Satz 1 SGB XI erfasst eigentlich nur Fälle der unmittelbaren Inanspruchnahme von Leistungen.
  • Das Leistungserbringungsrechts nach dem Zehnten Sozialgesetzbuch hat aber Vorrang vor vertraglichen Vereinbarungen. Dem kann nur entsprochen werden, wenn der Anwendungsbereich der Norm auch auf die Fälle der mittelbaren Inanspruchnahme von Sozialleistungen ausgeweitet werde.
  • Damit sei die Vereinbarung einer Reservierungsgebühr unvereinbar mit § 15 Abs. 1 Satz 1 des Gesetzes zur Regelung von Verträgen über Wohnraum mit Pflege- oder Betreuungsleistungen (WBVG) in Verbindung mit § 87a Abs. 1 Satz 1 SGB XI.

Die Sachverhalte

Der Sohn schloss als Vertreter einer pflegebedürftigen Person einen „Vertrag für vollstationäre Pflegeeinrichtungen“, der ab 15.02.2016 gelten sollte. Die Mutter zog daraufhin am 29.02.2016 ein.

In dem Pflegevertrag war festgehalten, dass (künftige) Bewohner vom Zeitpunkt des Vertragsbeginn bis zum tatsächlichen Einzug eine Platzgebühr in Höhe von 75 Prozent der Pflegevergütung, der Entgelte für Unterkunft und Verpflegung sowie des Umlagebetrags nach der Altenpflegeausbildungsausgleichsverordnung (AltPflAusglVO) zahlen müssen.

Der Vertreter zahlte die geforderte Platzgebühr, forderte sie aber später zurück. Er begründete das damit, dass gemäß § 87a SGB XI eine Vergütungspflicht erst ab dem tatsächlichen Einzug seiner Mutter in das Pflegeheim bestanden hätte.

Das Amtsgericht stimmte dieser Ansicht zu und verpflichtete die Pflegeeinrichtung zur Rückzahlung. Das Landgericht dagegen änderte das Urteil in der Berufungsinstanz ab und sprach dem Kläger unter Klageabweisung nur einen Bruchteil der eingeklagten Summe zu.

Das Urteil des BGH

Urteil zur Preiserhöhung bei der PKV
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Die Revision vor dem BGH war erfolgreich. Der BGH wies den Fall an das Berufungsgericht zurück, soweit die Klage abgewiesen worden war. Die Pflegeeinrichtung ist nach Urteil des BGH zur kompletten Rückerstattung der Reservierungsgebühr verpflichtet.

Laut dem Gericht sei die Vereinbarung einer Reservierungsgebühr unvereinbar mit § 15 Abs. 1 Satz 1 des Gesetzes zur Regelung von Verträgen über Wohnraum mit Pflege- oder Betreuungsleistungen (WBVG) in Verbindung mit § 87a Abs. 1 Satz 1 SGB XI und somit unwirksam.

Eine Reservierungsgebühr widerspricht nach Ansicht des BGH dem Prinzip der Abrechnung der tatsächlichen Leistungserbringung auf Tagesbasis. Es wird die Gefahr geschaffen, dass Leerstände im Anschluss an einen Auszug oder das Versterben eines Heimbewohners doppelt berücksichtigt würden: Zunächst über die in die Pflegesätze eingeflossene Auslastungskalkulation und/oder etwaige Wagnis- und Risikozuschläge und zum anderen über die zusätzliche Inrechnungstellung eines Leistungsentgelts ohne tatsächliche Leistungserbringung gegenüber einem zukünftigen Heimbewohner.

Verbraucher, die Leistungen einer privaten Pflegepflichtversicherung erhalten, beziehen damit mittelbar Leistungen auf der Basis des Vierten Kapitels des SGB XI. Das Leistungserbringungsrechts nach dem SGB XI hat Vorrang vor vertraglichen Vereinbarungen. Dem kann nur entsprochen werden, wenn der Anwendungsbereich der Norm auch auf die Fälle der mittelbaren Inanspruchnahme von Sozialleistungen ausgeweitet werde. Ansonsten käme es zu einer kaum nachvollziehbaren Ungleichbehandlung der hinsichtlich des Leistungsumfangs gleichgestellten Versicherten in der privaten Pflegeversicherung, die der Gesetzgeber in diesem Bereich gerade verhindern wollte. Im Ergebnis gelten die sozialrechtlichen Vorgaben auch für privat Pflegeversicherte.

Autor: Juliane Lohfink, Redaktion: Tina Mark
Veröffentlicht am 10.08.2021


 


Quellen und weiterführende Links

(1) Beck- Reservierungsgebühr für Zeit vor Einzug ins Pflegeheim auch bei Privatversicherten unzulässig