Amtsgericht München – Az. 159 C 26871/10
Unklare Klausel zur Erstattung von Hilfsmitteln in den Versicherungsbedingungen einer privaten Krankheitskostenversicherung ist unzulässig
Krank zu sein ist teuer! Diese Binsenweisheit ist sicherlich jedem bekannt. Wie teuer es wirklich werden kann, merken viele an den immensen Zuzahlungen für Medikamente, Hilfsmittel usw. Hier können durchaus Kosten von mehreren hundert Euro im Monat anfallen.
Doch manche Versicherung treibt es auf die Spitze – sie verankert in ihren Allgemeinen Geschäftsbedingungen Klauseln, die vom Versicherten eine Erstattung von Kosten für Hilfsmittel fordern. Ob eine solche Klausel wirklich rechtens ist und – wenn ja – in welchem Umfang sie in den Versicherungsbedingungen eingesetzt werden dürfen, damit hatte sich das Amtsgericht München zu befassen. Hier die genauen Details:
Versicherungsnehmer ist schwerhörig und benötigt spezielle Hörgeräte
Der Kläger hatte zusätzlich zu seiner Krankenversicherung eine private Krankheitskostenversicherung abgeschlossen. In den diesbezüglichen Versicherungsbedingungen hatte der Versicherer eine Klausel untergebracht, die wie folgt lautete: “Erstattungsfähig sind die Kosten für Hörhilfen in angemessener Ausführung“.
Der Versicherte ist auf beiden Ohren schwerhörig, weswegen ihm von ärztlicher Seite spezielle Hörgeräte verordnet wurden. Für zwei solcher Hörgeräte zahlte der Versicherte aus eigener Tasche einen Betrag von insgesamt 4.105.- Euro. Die entsprechenden Rechnungen reichte er anschließend bei der Versicherungsgesellschaft ein und forderte die Kostenerstattung.
Versicherung lehnt volle Bezuschussung ab – Standardgeräte seien ausreichend
Die Versicherung erstattete jedoch nur die Hälfte des Betrages (2.124.- Euro). Ihre Begründung: Die in den Versicherungsbedingungen verankerte Klausel sehe vor, dass Kosten lediglich für Hörgeräte erstattet werden, die durchschnittlichen Anforderungen genügen.
Da der Versicherte jedoch spezielle und individuell für ihn angefertigte Hörgeräte erworben habe, könnten die entsprechend höheren Kosten hierfür nicht von der Versicherung übernommen werden. Der Versicherte erklärte sich mit dieser Begründung nicht einverstanden.
Versicherungsnehmer hätte nach Erstattungshöhe fragen können
Im weiteren Verlauf erklärte die Versicherungsgesellschaft, jeder Versicherte könne selbst nachfragen, in welchem Rahmen die Kosten unter anderem für Hörgeräte ersetzt werden. Somit könne auch jeder Versicherte selbst abschätzen, welchen Betrag er erstattet bekäme.
Versicherungsnehmer mahnt unklare Vertragsklausel an
Doch auch diese Erklärung stellte den Versicherten nicht zufrieden. Er warf seiner Versicherung vor, die Klausel, welche eine Kostenerstattung für Hörgeräte in angemessener Ausführung vorsehe, sei konturlos und lasse nicht klar erkennen, was hiermit gemeint sei.
Zudem führte er an, dass lediglich die speziell für ihn produzierten Hörgeräte seine Anforderungen erfüllten, nur mit ihnen könne er angemessen mit seinen Mitmenschen kommunizieren.
Als die Versicherungsgesellschaft auch diesen Einwand nicht gelten lassen wollte, verklagte er sie. Das Gericht stellte fest, dass der Kläger die entsprechende Klausel zu Recht bemängelt hatte und folgte dessen Ausführungen.
Richter unterstützen den klagenden Versicherungsnehmer
Es wurde festgestellt, dass eine Leistungsbeschränkung in der hier vorliegenden Art und Weise nicht wirksam sei. Die diesbezügliche Tarifbestimmung beeinträchtige den Versicherten in einer unangemessenen Art und Weise, sie sei nicht klar und verständlich und verstoße somit gegen das sogenannte Transparenzgebot.
Vertragsbestandteile müssen klar formuliert sein und dem Transparenzgebot genügen
Im weiteren Verlauf der Verhandlung präzisierten die Richter das angesprochene Transparenzgebot. Dieses Gebot verlange, dass sowohl die Voraussetzungen als auch die Folgen zum Erlangen der Leistungen in den Versicherungsbedingungen so genau beschrieben werden, dass der Versicherte ohne Hinzuziehen fremder Hilfe klar und einfach seine Rechte feststellen könne.
Dies beinhalte auch, dass für den Verwender der Bedingungen keine ungerechtfertigten Beurteilungsspielräume entstehen. Genau diese Bedingungen seien jedoch im hier vorliegenden Fall nicht erfüllt, da die beanstandete Klausel die Rechte und Pflichten des Versicherten nicht klar und präzise beschreibe, sondern unterschiedliche Interpretationen ermögliche.
So könne die Klausel beispielsweise aussagen, dass die Versicherung nur Hörgeräte mittlerer Art und Güte hinsichtlich der Kosten erstattet. Wie genau eine „mittlere Art und Güte“ jedoch definiert ist, bliebe hier außen vor.
Aus dieser Beschreibung gehe auch nicht klar hervor, ob Hörgeräte mittlerer Art und Güte lediglich solche seien, die nicht speziell auf den Träger zugeschnitten sind, oder ob darunter auch Spezialanfertigungen verstanden werden, die lediglich in der Verwendung ihrer Materialien und Verarbeitung eine mittlere Güte aufweisen. Welche Qualitäten mit der Klausel gemeint sind, könne also nicht klar nachvollzogen werden.
Preise der Hilfsmittel spielen keine Rolle bei der Betrachtung
In diesem Zusammenhang betonte das Gericht weiter, dass es im Hinblick auf medizinische Notwendigkeiten auf monetäre Gesichtspunkte nicht ankäme. Was im jeweiligen Einzelfall hinsichtlich der Kostenerstattung angemessen sei, hänge von den konkreten Lebensumständen des jeweiligen Versicherungsnehmers ab.
Ziel sei hierbei, dass die Hörstörung adäquat ausgeglichen werde. Somit hänge das, was angemessen sei, immer von den Umständen des Einzelfalls ab. Im weiteren Verlauf der Verhandlung präzisierten die Richter das auch für den Bereich der Hörgeräte:
Hier käme es bei der Auswahl des passenden Hörgerätes darauf an, welchen Beruf der Betroffene ausübe und in welchen Alltagssituationen er sich mit seiner Hörhilfe befinde. Dies seien allerdings nur Anhaltspunkte für den Anfang, die sich durchaus immer wieder ändern könnten – je nach den Lebensumständen des Betroffenen.
Anhand der Regelungen für die Bezuschussung von Brillen und Kontaktlinsen lasse sich ersehen, dass es einer Versicherung durchaus zuzumuten sei, exakte Preisgrenzen für Zuschüsse festzulegen und den Versicherten mitzuteilen.
Versicherte müssen sich keinen Marktüberblick erarbeiten
Im Umkehrschluss könne es dem Versicherten nicht zugemutet werden, eine entsprechende Marktanalyse hinsichtlich der Preise aller verfügbaren Hörgeräte auf dem Markt vorzunehmen. Und auch auf die Marktanalyse der Versicherung müsse sich der Betroffene nicht einzig und allein verlassen.
Daher ließ das Gericht auch das Argument der Versicherung nicht gelten, der Kunde hätte nachfragen können, wo die Preisgrenze für Bezuschussungen bzw. Kostenübernehme liegt.
Das Urteil des Gerichts fiel daher eindeutig aus: Die beanstandete Klausel in den Versicherungsbedingungen wurde für ungültig erklärt, die Versicherung muss dem Kläger die kompletten Kosten für die Anschaffung seiner Hörgeräte ersetzen.
Fazit
Die hier dargelegten Ausführungen des Gerichts zeigen sehr eindeutig, dass schwammig formulierte Klauseln, die oftmals zum Nachteil des Versicherungsnehmers ausgelegt werden, im Zuge rechtlicher Streitigkeiten fast immer beanstandet und daher für unwirksam erklärt werden.
Wer eine solche Klausel in seinem Versicherungsvertrag vorfindet, hat somit gute Chancen, sich vor Gericht sein gutes Recht zu erkämpfen.