Finanzgericht Rheinland-Pfalz – Az. 4 K 2173/15
Kosten für Entfernen von Lipödem keine außergewöhnliche Belastung
Unter einem Lipödem versteht man eine Störung der Fettverteilung unter der Haut, die sich – ähnlich wie bei der berüchtigten Orangenhaut – durch unschöne Erhebungen auszeichnet. Im Volksmund spricht man dabei auch von der sogenannten „Bananenrolle“.
In diesem Zusammenhang ist es verständlich, dass sich viele Frauen an den unschönen Auswirkungen des Lipödems stören und in ihrer körperlichen Schönheit beeinträchtigt fühlen. Die kosmetische Chirurgie hat diesen Umstand längst erkannt und bietet entsprechende Fettabsaugungen an, mit denen ein Lipödem weitgehend entfernt werden kann.
Jedes Jahr wird diese Operation tausendfach in Deutschland durchgeführt. Trotzdem sind die Kosten für eine solche Operation nicht zu unterschätzen. Viele Frauen sind daher dankbar, wenn sie die aufgewendeten Kosten zumindest steuerlich geltend machen können.
Doch ist das überhaupt in jedem Fall möglich? Und – wenn nicht – welche Voraussetzungen sind zu erfüllen, um die Kosten für die operative Entfernung des Lipödems beim Finanzamt anrechnen lassen zu können?
Finanzamt erkennt keine medizinische Notwendigkeit
Mit dieser schwierigen Frage hatte sich das Finanzgericht Rheinland-Pfalz auseinanderzusetzen. Hier der genaue Sachverhalt, welcher in der Gerichtsverhandlung zur Sprache kam:
Die Klägerin ließ eine beidseitige Fettabsaugung am Oberschenkel durchführen, da bei ihr ein Lipödem diagnostiziert wurde. Die Kosten für den operativen Eingriff betrugen rund 2.250 Euro.
Diese Kosten machte sie im Rahmen ihrer Einkommensteuererklärung für das betreffende Jahr als außergewöhnliche Belastung gemäß § 33 Einkommensteuergesetz steuerlich geltend. Die Krankenkasse hatte die Kosten trotz ärztlicher Verordnung nicht übernommen.
Das zuständige Finanzamt erkannte die steuerliche Geltendmachung der Kosten jedoch nicht an. Die Begründung: Die Aufwendungen seien nicht zwangsläufig im Sinne des § 33 Einkommensteuergesetz gewesen, da die Steuerpflichtige eine medizinische Notwendigkeit zum Durchführen der operativen Maßnahmen nicht nachgewiesen hat.
Einholen eines neuen Gutachtens wird abgelehnt
Hiermit erklärte sich die Betroffene nicht einverstanden und erhob Klage. Im Verlauf der Verhandlung verwies das beklagte Finanzamt auf ein Urteil des Bundesfinanzhofs aus dem Jahr 2015 und ein damit verbundenes Gutachten. Dieses Gutachten war vom Medizinischen Dienst des Spitzenverbandes Bund der Krankenkassen e.V. angefertigt worden.
Die untersuchenden Experten kamen in diesem Gutachten zu der Ansicht, dass die operative Entfernung eines Lipödems mit der hier angewandten Methode wissenschaftlich nicht anerkannt werden könne. Die Klägerin verwies darauf, dass dieses Gutachten inzwischen als veraltet gelte und regte an, ein aktuelles und neues Gutachten einzuholen.
Mit diesem Ansinnen hatte sie jedoch keinen Erfolg vor dem Finanzgericht Rheinland-Pfalz. Das Gericht wies die Klage ab und verweigerte die Einholung eines neuen Gutachtens.
Dieses sei grundsätzlich nicht nötig, so die Richter, da es in dem hier vorliegenden Fall nicht darauf ankomme, ob die Entfernung eines Lipödems mit der angewandten Methode (der sogenannten Liposuktion) heute die wissenschaftliche Anerkennung fände. Vielmehr sei ausschlaggebend, wie der Stand der Wissenschaft zum Zeitpunkt der Behandlung gewesen sei.
Amtsärztliches Gutachten fehlt
Da die Behandlung in diesem Fall fast drei Jahre zurücklag, kam das Gericht zu der Ansicht, dass das vorliegende Gutachten zu dieser Zeit noch aktuell und nicht veraltet gewesen war. Weiterhin, so die Richter, fehlten unabhängig davon auch heute noch die wissenschaftlichen Nachweise über die Wirksamkeit der hier angewandten Methode.
Dieser Umstand sei aus der aktuellen Rechtsprechung der Sozialgerichte in Deutschland ganz klar hervorgegangen. Grundsätzlich, so das Gericht abschließend, könnten die Kosten auch für wissenschaftlich nicht anerkannte Behandlungsmethoden durchaus steuerlich in Form von außergewöhnlichen Belastungen abzugsfähig sein.
Dazu sei jedoch ein entsprechendes amtsärztliches Gutachten notwendig. Dieses Gutachten hätte die Klägerin nicht vorlegen können. Auch die ärztliche Bescheinigung des medizinischen Dienstes der Krankenversicherung könne als Nachweis ausreichen.
Die Klägerin habe aber lediglich die Verordnung des behandelnden Arztes vorgelegt. Diese reiche jedoch nicht aus, um eine steuerliche Abzugsfähigkeit in Form der außergewöhnlichen Belastung zu rechtfertigen.